Verschwindet eine weitere Fassade der Berliner Nachkriegsmoderne?

bierpinsel_goldtWieder einmal soll ein Wahrzeichen der Berliner Nachkriegsmoderne verschwinden: der Bierpinsel in Berlin-Steglitz.
Dabei handelt es sich um ein Bauwerk, das in Reclams Kunstführer als „mehrgeschossige(s) Turmrestaurant mit ausladendem Kopf“ beschrieben wird; eine äußerst zutreffende Beschreibung, wobei noch hinzuzufügen ist, dass der Bierpinsel vor allem durch seine rote Farbgebung ins Auge sticht. Der Bau wurde 1969 beschlossen, und im Jahr 1976 als „Turmrestaurant Steglitz“ eröffnet. Berühmt geworden auch über die Grenzen Berlins hinaus ist der Bierpinsel durch seine Abbildung auf Max Goldes Kassettencover „Okay Mutter, ich nehme die Mittagsmaschine“.

bierpinsel_silber_flickrEntworfen wurde der Bierpinsel von den Architekten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte, die unter anderem auch für das ICC Berlin verantwortlich sind. Und ähnlich wie das ICC und viele andere Bauwerke, die der Berliner Nachkriegsmoderne zuzurechnen sind, ist auch der Bierpinsel für viele Betrachter sicherlich von eher zweifelhafter Ästhetik, wird entweder gehasst, geliebt, oder – was noch schlimmer ist – schlicht ignoriert. Seit geraumer Zeit ist nun zu beobachten, dass viele dieser Bauwerke der sogenannten Restmoderne verschwinden, wobei ‚verschwinden‘ nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Bauwerke, wie zum Beispiel der Palast der Republik, gleich komplett abgerissen werden. Oft handelt es sich um Veränderungen, deren Ziel es ist, die Gebäude zu ‚modernisieren‘, das heisst sie aktuellen ästhetischen Vorstellungen anzupassen, wodurch sie den Gebäuden zugleich aber ihren Charakter rauben. Eine solche ‚Modernisierung‘ droht nun dem Bierpinsel. „(D)er Bierpinsel wird silbern“ meldete die Berliner Zeitung am 08. februar 2007 und berichtet über die Umgestaltungspläne der neuen Besitzer, der Immobilienentwickler Laternser. Diese Pläne, so konnte man erfahren, „sind sehr ambitioniert“, nicht nur soll der untere Bereich an der Tiburtiusbrücke umgestaltet werden, sondern in den drei Etagen des Turmrestaurants soll „hochwertige Gastronomie mit Panoramablick“ entstehen.

Abendschau vom 05.02.2007
Abendschau vom 05.02.2007

Dagegen ist ja nun erstmal nichts einzuwenden, auch wenn fraglich ist, ob – und wie – die geplante Umorientierung vom Bier trinken zum „gediegenen Wein-Schlürfen“ (RBB Abendschau vom 05.02.2007) funktionieren soll. Aber nicht nur im Innern des Bierpinsels soll sich einiges ändern, vor allem das äußere Erscheinungsbild soll einer grundlegenden Veränderung unterzogen werden: der charakteristische rote Anstrich soll verschwinden, der Bierpinsel soll silbern werden. Damit aber ‚verschwindet‘ das markante Wahrzeichen der Steglitzer Schloßstraße; ersetzt wird es durch ein weiteres, gesichtsloses Gebäude, das sich dann in die architektonische Gleichförmigkeit der Schloßstraße einfügt. Die avisierte Umbenennung in ‚Schloßturm‘ unterstreicht diese Vereinnahmung, der sich der Pinsel nicht zuletzt auch durch seine knallrote Farbe bislang entziehen konnte.


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Und sicher – der Bierpinsel ist nicht annähernd so prominent, so umstritten, so wichtig, so was auch immer wie der schon erwähnte Palast der Republik, was sicher auch damit zusammenängt, dass er im überaus unhippen Stadtteil Steglitz-Zehlendorf steht; also genau dort, wohin sich kaum ein junger Mensch aus sagen wir Berlin-Mitte oder gar Prenzlauer Berg verirren würde. Trotzdem oder vielleicht gerade weil der Bierpinsel in seiner ursprünglichen Form und Farbe für die Westberliner Restmoderne steht, wäre es mehr als wünschenswert, wenn sich die neuen Besitzer dazu entschließen könnten, dem Bierpinsel durch eine Auffrischung des roten Anstrichs zu neuem altem Glanz zu verhelfen.