West-Berlin – Janz Berlin war eene Wolke?

steglitz1982
Schloßstraße in Steglitz 1982

West-Berlin war und ist ein komischer Ort. Von ‚Stadt’ wollen wir hier erstmal nicht reden. Und zwar nicht nur deshalb nicht, weil es sich bei West-Berlin wenn schon dann eher um eine Vielzahl von Städten handelte, sondern vor allem deshalb, weil West-Berlin vor allem eins war: West-Berlin. Damit war es weder Westdeutschland noch Ostdeutschland und – natürlich – schon gar nicht Ost-Berlin. Nein. Nicht die Hauptstadt der DDR. West-Berlin war ähnlich wie Bonn, aber weniger weltoffen, ein Dorf. Gemütlich. Sagen wir ruhig piefig. Denken wir an West-Berlin fallen uns TV-Serien wie „Die Wicherts von nebenan“ oder „Ich heirate eine Familie“ ein. Schauspielerinnen wie Maria Sebaldt oder Entertainer wie Harald Juhnke.
Der Berliner hört das nicht gerne. Leider ist es aber wahr. Und nicht genug, neben der Piefigkeit gab und gibt es in West-Berlin Dinge, die es sonst nirgends gab. Nein, damit ist nicht die Berlin-Zulage gemeint. Und auch nicht die Arbeitsplätze, die geschaffen wurden, obwohl es gar keine Arbeit gab. Das gab es schließlich auch im Osten. Aber es gab die Sehnsucht nach Orten, nach denen sich
sonst in Deutschland wirklich nur die Allerwenigsten sehnen: Braunschweig, Bad-Segeberg, Föhr, um nur einige wenige zu nennen. Und wenn man nicht so weit fahren wollte, verbrachte man seine Wochenenden eben trotzig im Angesicht des antikapitalistischen Schutzwalls. Also auf einem Campingplatz am Rande der Stadt. Darum soll es hier gehen: den West-Berliner Stadtrand. Und das, was sich aus Sicht der West-Berliner jenseits davon befand und sehenswert war. Und darum, wie dieser Sehnsucht Ausdruck verliehen wurde und wird. Leider.

Nähert man sich West-Berlin auf diese Weise, entdeckt man, dass West-Berlin zwar schon qua Name zum Westen gehörte, es aber insgeheim mehr dem Osten zu ähneln schien, als ihm lieb sein konnte. Hier gilt allerdings, dass es immer schon ein Zentrum, eine Mitte, ja ein Berlin-Mitte gab. Diese Mitte war sicherlich einerseits Charlottenburg und alles was dazu gehört. Insbesondere die nähere und weitere Umgebung des Savignyplatzes mit Kneipen, Cafés, Theatern und Restaurants sind erwähnenswert. Auch heute noch. Kreuzberg sowohl 36 als auch 61 dürfen natürlich nicht fehlen. Und da wäre dann noch Schöneberg, Café M and everything after. Es gibt sicherlich auch viele andere Orte, die hier erwähnt werden könnten.

Allein, darum soll es nicht gehen. Denn das Volk von damals ist weiter gezogen. Die Neuen, die gekommen sind, kennen Charlottenburg nicht, und entdecken gerade, wenn auch widerwillig, Kreuzberg wieder. Kreuzberg 36 versteht sich. Weil das nicht so weit vom Friedrichshain entfernt ist. Es geht aber nicht um die, die alle paar Monate den Kiez wechseln, immer auf der Suche nach dem next best/big thing. Es geht um die Berliner, genauer: um die West-Berliner. Denn genau das sind sie bis heute: WEST-Berliner. Sie wohnen in Spandau, Wilmersdorf, Reinickendorf und Steglitz, und das seit gefühlten 150 Jahren. Und sie verbringen ihre Freizeit an bizarren Orten. Diese Orte muten heute weniger seltsam an, weil sie sich heute nur noch an der Grenze zu Brandenburg befinden. Schön sind sie deshalb noch lange nicht.

Stellt sich also die Frage, was die West-Berliner derart nah an die Peripherie ihrer ja eh schon begrenzten Stadt führte. Denn anders als in anderen Städten erwartete die West-Berliner dort nicht das Land, die Weite und der Horizont, sondern dessen Gegenteil: die Enge. Kein weiter Blick. Warum also verbrachten – und verbringen immer noch – eine Vielzahl von Stadtbewohnern ihre Freizeit zum Beispiel auf einem Campingplatz, der bis vor anderthalb Jahrzehnten noch eingezwängt zwischen Mauerstreifen und dem nicht gerade romantischen
Teltow-Kanal auf einem stillgelegten Teil der A 115 lag?