Endstation: Kyritz an der Knatter

Das dieses Mal am Ende alles anders kam, als man anfänglich dachte, darf man ja am Anfang eigentlich nicht verraten, aber es sei schon mal erwähnt, dass wir eigentlich von Neustadt (Dosse) nach Rheinsberg fahren wollten. Rheinsberg ist schon deshalb ein attraktives Ziel, weil es zu den wenigen Orten gehört, die noch über einen funktionierenden Bahnhof verfügen. Damit ist gemeint, dass der Bahnhof noch nicht verfallen ist und es sogar eine Bahnhofsgaststätte gibt.

Bahnhof Rheinsberg. Wäre schön gewesen.

Aber es kam eben alles ganz anders. Der Bahnhof in Neustadt (Dosse) ist schon eher das, was man inzwischen mit deutschen Bahnhöfen in Kleinstädten verbindet – eine Ruine und daher wenig sehenswert. Allerdings ist der Rest von Neustadt sehr hübsch, eine kleine und leider etwas unbeachtete Kleinstadt im Havelland.

Neustadt (Dosse). Nix los. Aber schön.

Wir sind die Strecke schon einmal vor zwei Jahren gefahren und wollen deshalb dieses Mal nicht über Wittstock (Dosse) sondern bei Kyritz Richtung A 24 abbiegen und über Netzeband Richtung Rheinsberg. Von Neustadt geht es über Wusterhausen nach Kyritz, das wir aber nur streifen und gleich abbiegen Richtung Untersee. Obwohl Kyritz uns zunächst sehr freundlich begrüßt.

Kyritz grüßt.

Dass wir heute nochmal nach Kyritz kommen und mehr sehen werden, als uns lieb ist, ahnen wir hier natürlich noch nicht. Hinter dem Untersee biegen wir gleich nach Sechzehneichen ab. Ab hier wird es noch ruhiger als ruhig. -Es gibt hier zwar keine Fahrradstraßen oder Fahrradwege, aber das ist auch nicht nötig, weil es kaum Autos gibt und wir die Straßen, die oft kaum breiter sind als Feldwege, meist für uns allein haben.

Kurz vor Sechzehneichen.

Ganz gegen unsere Gewohnheit rasten wir schon am Ortsrand von Sechzehneichen, aber es ist ziemlich warm und wir haben keine Eile. Über Tornow und Tramnitz geht es nach Schönberg, von wo aus uns der Radweg rüber nach Netzeband bringen soll. Aber daraus wird heute nichts: die Brücke ist gesperrt. Sogar für Fußgänger und Radfahrer.

Hier gab es kein Durchkommen.

Und da es sich um eine Autobahn handelt, sehen wir ein, dass wir uns besser einen anderen Weg suchen. Den gibt es zwar, allerdings ist er nahezu unbefahrbar, selbst unser Mitfahrer, der eigentlich immer überall durchkommt, muss auf dem märkischen Sandboden aufgeben: der erste Sturz. Für uns anderen, die zum Teil auf Rennrädern unterwegs sind, ist klar, dass wir nicht 8 km durch den Sand schieben wollen.

Wir beschließen, noch weiter nach Norden über Wulkow und Teetz nach Rossow zu fahren. Auf der Karte sieht der Weg von Teetz nach Rossow nicht nach Asphalt, aber auch nicht nach Sandkasten aus. Es ist zwar nicht das Zonenrandgebiet, aber immerhin Autobahnrandgebiet – von der man nichts hört und sieht – und ein bisschen kann man sich dann doch wie am Ende der Welt fühlen. In Wulkow steht ein altes Gutshaus, leider von allen Seiten zugebaut und deshalb unfotografierbar und auch die kleine Fachwerkkirche hat es leider nicht auf’s Foto geschafft. Auch fällt es uns ein Wegweiser nach Sechzehneichen auf (4 Km!), wir müssen also eine Schleife gefahren sein.

Für diesen Umweg entschädigt uns aber die Einfahrt nach Teetz, auch wenn keiner weiß, wie die lila Blümchen heißen. Lavendel ist es nicht.

Ortseinfahrt Teetz. Mit lila Blümchen.

 

Leider endet die Straße in Teetz Richtung Autobahn auch als Waldweg, der sich mehr schlecht als recht befahren lässt. Aber es geht. Denken wir. Bis es einen unserer Mitfahrer erwischt: ein Sturz mit dem Rennrad. Trotz relativ niedrigem Tempo sieht es schlimm aus. Und es ist auch schlimm. Wir werden wohl nie erfahren, warum sich unser Mitfahrer bei seinem Sturz auf weichen Waldboden die Fingerkuppe nahezu abgesäbelt hat, ob es ein Stein oder was auch immer war – fest steht in dem Moment nur, dass ein Pflaster nicht viel helfen wird und die Tour beendet ist. Immerhin funktioniert der Notruf auch im Wald und mir gelingt es, unseren Standort so durchzugeben, dass nicht nur wir knapp 10 Minuten nach dem Sturz wieder an der Kirche in Teetz sind, sondern auch der Rettungswagen und die Polizei. Womit die jetzt gerechnet haben, wissen wir nicht, aber für die 133 Einwohner von Teetz ist der Einsatz sicher ein Erlebnis. Und für uns auch.

Showdown in Teetz.

Dann geht alles ganz schnell, unser Mitfahrer wird notdürftig versorgt und gleich mit Blaulicht nach Kyritz ins Krankenhaus gefahren. Scheint wohl doch eilig zu sein. Wir stehen etwas ratlos in Teetz rum, aber nach Kyritz sind es nur 15 km und so fahren wir alle zurück nach Kyritz. Gottseidank können zwei unserer Mitfahrer das Rennrad mitführen, gottseidank sind die Straßen leer und gottseidank haben wir vorhin den Wegweiser nach Sechzehneichen gesehen. So sind wir nach einer Dreiviertelstunde wieder in Kyritz, das erstaunlicherweise und jetzt zu unserem Glück über ein recht modernes Krankenhaus verfügt. Viel scheint nicht los zu sein und so können wir einfach in den Emergency Room (kein Scherz!) marschieren, wo wir unseren Mitfahrer finden. Lebt noch und auch sonst geht es ihm wohl den Umständen entsprechend gut. Wie man so sagt.

Nachdem wir uns davon überzeugt haben, dass unser Mitfahrer gut versorgt ist, fahren wir in die Stadt und auch hier werden wir positiv überrascht: Kyritz hat einen äußerst hübschen Marktplatz, an dem es gleich mehrere Möglichkeiten gibt, einzukehren. Wir entscheiden uns für das Bluhm’s Hotel (http://www.bluhms-hotel.de/) und eine knappe Stunde später kommt auch unser Mitfahrer am Markt an. Frisch genäht und eingegipst, aber dank der Betäubung und der körpereigenen Drogen geht es ihm erstaunlich gut.

So schön Kyritz ist, hat es aber doch ein Problem: ein Zug fährt hier am Wochenende nur alle vier Stunden. Und so entscheiden sich unsere Mitfahrer, die 12 km nach Neustadt mit dem Rad zu fahren, von wo stündlich ein Zug nach Berlin fährt. Wir hingegen blieben einfach bis zur Abfahrt des Zuges noch einige Stunden in dem netten Restaurant mit Blick auf den Kyritzer Marktplatz und tranken einige vorgezogene Fahrbiere. Auf dem Weg zum Bahnhof – natürlich auch eine Ruine – war dann noch Gelegenheit für ein paar launige Fotos.

Nahezu obligatorisch: Sowjetischer Ehrenfriedhof.

Was man daraus lernt? Nix. Erst kein Glück und dann noch Pech. Aber am Ende doch mehr Glück als Pech, denn niemals hätten wir erwartet, in der Brandenburger Provinz so gut versorgt zu werden. Aber künftig werden wir Verbandszeug mitnehmen.

Fortuna siegt.