Um es gleich vorwegzunehmen: es war eine ereignislose Tour. Aber sie ist trotzdem erwähnenswert, weil sie immer geht – Angermünde nach Schwedt an der Oder. Das sind knapp 35 km und wenn sonst nichts mehr geht, weil es zu heiß, zu kalt, zu nass oder zu windig ist – von Angermünde nach Schwedt schafft man es immer. Die Strecke ist die ultimative Wintertour. Und nachdem wir unsere letzte Tour nach 40 km wegen Sturm und Regen abbrechen mussten, wollten wir uns dieses Mal unsere Ziele nicht zu hoch stecken, zumal der erste Schnee des Winters angesagt war.
Als wir losfahren ist allerdings von Schnee weit und breit nichts zu sehen. Bei Temperaturen um die 0 Grad und Sonne verlassen wir Angermünde Richtung Süden, um dann nach Osten Richtung Oder abzubiegen. Schon nach wenigen Kilometern sind wir ganz allein auf Feldwegen und Fahrradstraßen unterwegs. Und nichts, wirklich nichts passiert hier. Der erste Teil der Strecke ist recht hügelig, ganz wie es sich für eine Endmoränen-Landschaft gehört. Immerhin kann man sich hier schön warm fahren. Es gibt hier nicht einmal die in Brandenburg fast schon ubiquitären sowjetischen Ehrenmale. Nur Landschaft und hin und wieder verschlafene Dörfer.
Einzig in Gellmersdorf steht ein etwas seltsames Gebäude und ich bin froh, nach all den Jahren vor kurzem einen Artikel gefunden zu haben, der endlich erklärt, was es mit diesem Flugzeug-Haus auf sich hat.
Hinter Gellmersdorf geht es dann durch den Wald bergab nach Stolpe. Stolpe ist ein vergessenes kleines Örtchen, das gleich an der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße (HFW und HoFriWa) liegt. Früher gab es hier mal den Grützpott – eine Gaststätte, die abgesehen von ihrer Terrasse nicht wirklich einladend war, was vermutlich auch an dem Namen lag. Ein weiteres Restaurant hat inzwischen auch dicht gemacht und als vor einigen Jahren die Brücke im Ort monatelang ausgebessert wurde, haben wir hier die Räder schon mal übers Geländer gehoben.
Inzwischen hat man hier aber wieder freie Fahrt. Gleich hinter der Brücke treffen wir auf den Oder-Neiße-Radweg, auf dem wir eigentlich immer – egal ob Winter oder Sommer, kalt oder warm – Gegenwind haben. Nicht so heute.
Mit Rückenwind geht es die letzten 16 km ab Stolpe nach Schwedt, vorbei an weiteren, vergessenen Örtchen wie Alt-Galow, Stützkow und Criewen. Statt eines Ortseingangsschild haben die Stützkower den Ortsnamen einfach auf den Brückenpfeiler gepinselt. Reicht ja auch. Irgendwann werde ich hier in der minimalistischen Hollywoodschaukel eine Rast einlegen, heute ist es leider zu kalt dafür.
Noch eine weitere Besonderheit, die im Winter von unschätzbarem Wert ist: es gibt ausreichend und zugleich attraktive Möglichkeiten für eine Einkehr. Sechs Kilometer vor Schwedt liegt Criewen, und dort ist die Gaststätte „Zur Linde“ eine echte Empfehlung. Angeblich gibt es hier die beste Soljanka Brandenburgs (so mein Mitfahrer, ein passionierter Soljanka-Esser) und zudem sind wir hier noch nie mit dem leider immer noch obligatorischen Verweis auf die Mittagszeiten (aka „Mittagstisch“) abgewiesen worden. Einziger Nachteil: man muss nach dem Essen ausgekühlt wieder auf’s Rad und die letzten 6 km in völliger Dunkelheit nach Schwedt fahren. Durchaus machbar, aber nicht alternativlos, da Schwedt zwar kein kulinarisches Eldorado ist, es aber durchaus auch dort Möglichkeiten zur Einkehr gibt.
Weil wir einen guten Lauf haben und den Rückenwind genießen, lassen wir Criewen also dieses Mal links liegen und kommen rechtzeitig zum Nachtisch in Schwedt an. Das ist im einzigen chinesischen Restaurant am Platz aber auch egal. Hier bekommt man eigentlich immer etwas, sogar an Heiligabend ist geöffnet. Dieses Mal gibt es sogar Glühwein und später Fahrbier für den Zug.
Leider haben wir den Zug um wenige Minuten verpasst und müssen deshalb zwei Stunden warten. Als wir schließlich aufbrechen, ist es stockdunkel.
Ein weiterer, vor allem im Sommer unschätzbarer Vorteil ist, dass der Regionalexpress nach Berlin in Schwedt eingesetzt wird, man also gute Chancen hat, einen Platz für sich und die Räder zu bekommen (allerdings nur alle zwei Stunden!). Einen Kiosk oder ähnliches haben wir bislang aber noch nicht entdeckt, das Fahrbier wird direkt beim Chinesen erworben. Und normalerweise wären wir gegen 19 Uhr auch wieder in Berlin gewesen. Nicht so an diesem Abend, denn die diversen Umleitungen und Schienenersatzverkehre zwingen uns schließlich, uns in Berlin nochmal auf die Räder zu schwingen, um bei Schneeregen den nächstgelegenen U-Bahnhof anzusteuern. Immerhin sind wir am Ende des Tages dann doch mehr als 50 Km gefahren – obwohl das ja gar nicht geplant war.