Uckermark unter Null: von Angermünde nach Prenzlau

Wintertouren sind schön, aber auch nicht ganz ohne. Vor allem, wenn man wie ich wegen Erkältung und Faulheit schon länger nicht mehr auf dem Rad gesessen hat. Aber an diesem Wochenende wollte ich mir das Winterwetter nicht mehr länger nur durch eine Fensterscheibe angucken und außerdem waren die Aussichten für die Tour fantastisch: Sonne, blauer Himmel, ok keine Plusgrade, aber am Nachmittag vielleicht noch der ein oder andere Schneeschauer.

Angermünde. Am Bahnhof.

Die von uns gewählte Strecke von Angermünde nach Prenzlau ist überschaubar, je nachdem welchen Weg man einschlägt (westlich oder östlich von Unter- und Oberuckersee) sind es zwischen 45 und 55 Kilometer. Wegen der seit längerem bestehenden Bahn-Kalamitäten sind wir schon seit geraumer Zeit nicht mehr nach Prenzlau gefahren, aber an diesem Sonntag wollten wir es wagen. Zudem wollte ich eine neue Strecke ausprobieren, die westlich der Seen verläuft und die ich nur in entgegengesetzter Richtung vor Jahren mal im Sommer gefahren bin. Ich hatte sie als malerisch in Erinnerung. Dass das an den Hügeln lag, wurde mir leider erst im Laufe des Tages schmerzhaft klar.

Mündesee. Zugefroren.

Die ersten Kilometer ab Angermünde könnten wir vermutlich inzwischen sogar blind fahren, so bekannt ist die Strecke. Immerhin haben wir den Mündesee noch nie zugefroren gesehen. Und statt wie schon so oft an der Blumberger Mühle und den Fischteichen vorbeizufahren, biegen wir Richtung Görlsdorf (ja, mit Ö! Auch wenn der RBB neulich einen flachen Witz hierüber.. ach lassen wir das. ) ab und von dort über fantastische Wege nach Peetzig und Steinhöfel.

Steinhöfel.

Es ist nicht so, dass man die Kälte nicht spüren würde (vor allem im Gesicht), aber es ist bei weitem angenehmer als bei Regen und 3 Grad zu fahren. Außerdem scheint die Sonne, die Wege sind trocken und nur mein linker Fuß weiß noch nicht, ob er mit der Temperatur klarkommt.

Irgendwo da im Wald.

Womit ich irgendwann nicht mehr gut klarkomme, ist mein fehlendes Frühstück. So hatte ich zwar nicht vergessen, dass es kalt werden könnte, sehr wohl aber, dass man bei niedrigen Temperaturen auch etwas mehr essen sollte. Als wir Fergitz erreicht haben, sind es tatsächlich nur noch 16 Kilometer bis Prenzlau. Mir schwant hier allerdings nichts Gutes, auch wenn mein Mitfahrer meint, es könnte jetzt nur noch bergab gehen, vorbei am Oberuckersee zum Unteruckersee, an dessen nördlicher Spitze Prenzlau liegt. Und in Potzlow, dem nächsten Ort, könnten wir ja etwas essen. Ein entsprechendes Symbol auf der Karte lässt hoffen. Aber so schön die Landschaft, alles Hoffen war umsonst: gleich hinter Fergitz geht es steil bergauf. Leider gibt es hiervon kein Foto, ich war zu sehr mit mir und der Steigung beschäftigt und als ich sie endlich bewältigt hatte, wollte ich sie auch nicht mehr sehen. Man kann die Steigung auch googeln, aber man findet allenfalls harmlose Bilder – das wahre Grauen erschließt sich einem dort erst, wenn man tatsächlich hinraufradeln muss.

Potzlow. Festwiese.

Und auch das hatte ich irgendwie geahnt: in Potzlow finden wir keine Möglichkeit zur Einkehr. Mich stört das aber kaum, denn so hübsch der Ort auch gelegen sein mag, gruselt es mich, weil dort im Sommer 2002 ein Jugendlicher von Rechtsradikalen erst gequält, dann getötet und schließlich in eine Jauchegrube geworfen wurde. Ein Gedenkstein erinnert daran hinter der Kirche. Sicher, in anderen Orten werden auch Menschen umgebracht, aber meistens weiß man ja nichts davon. Mich interessieren jetzt auch nur noch die letzten 6 Kilometer bzw. vor allem deren Topographie. Wir haben einen sehr schönen Blick über die Seen in der Landschaft, im Sommer kann man hier baden, heute sieht es eher so aus, als ob wir den Weg nach Prenzlau mit den Rädern über den zugefrorenen See abkürzen könnten. Für ein paar Hügelchen weniger wäre ich sehr dankbar. Aber irgendwann geht es dann tatsächlich nur noch bergab zum See und vorbei an überfrorenen Wiesen nach Prenzlau, dessen wuchtige Marienkirche schon von weitem zu sehen ist.

Wiesen vor Prenzlau.

Die Kirche im Blick und das Wissen, dass sich dort ein ganz wunderbares italienisches Restaurant befindet, kämpfen wir uns die letzten Kilometer vor bis zur Stadt. Langsam geht auch die Sonne unter und wir spüren den Frost jetzt doch. Als wir schließlich wie ein hungriges Rudel Wölfe – ok, wir waren nur zu zweit – im Sempre Roma einfallen, wird uns nur die kleine Nachmittagskarte präsentiert, aber nach einer kurzen Schrecksekunde wir klar, dass wir satt werden würden: es gibt warmes Brot und Nudeln. Kaum mehr braucht es heute nicht.

Prenzlau. Marienkirche.

Und wie kalt mir wirklich war, merke ich erst nach dem zweiten Glühwein. Sogar das Fahrbier schenken wir uns diesmal und bleiben stattdessen bei heißem Tee. Eine ganz wunderbare Route, aber beim nächsten Mal werde ich vorher frühstücken.